Es war so finster Und auch so bitterkalt


Dies ist die Geschichte von Lucinda. Lucinda ist schön, lebenshungrig und leuchtet wie ein Stern. So hell und so schön und gleichzeitig Lichtjahre entfernt. Lucinda scheint in einer anderen Welt zu leben, nach eigenen, erbarmungslosen Regeln. Wer Lucinda liebt, muss ertragen, ihr niemals richtig nah sein zu können. So sind Sterne eben. Und manchmal fallen sie vom Himmel und verglühen. Einfach so. via

Hänsel und Gretel verliefen sich im Wald. Es war so finster Und auch so bitterkalt.
Auch Lucinda hat sich im Wald verlaufen. Im Wald ihrer eigenen Traumlandschaft und Fantasiewelt, die sie sich gebaut hat und die sie immer, immer schwerer von der Realität unterscheiden kann.
Tenebrien ist das Land, in das alle gehen, die nicht für unsere Welt gemacht sind. Die Dünnhäutigen, die Gläsernen, diejenigen, die zu viel verloren haben. All die Narben, die wir auf dieser Welt bekommen haben, heilt das Tenebrische Meer. Ein Wasser, das unvorstellbar tief und salzig ist und auf dem der Körper schwerelos treibt. In Tenebrien schlafen wir alle nackt und in Eisbärfelle eingewickelt [...] 
Sie hat den Drang nach ungeteilter Aufmerksamkeit, mit dem sie es ihrer Familie, vor allem ihren Eltern, nicht leicht macht. Lucinda selbst spinnt sich ihre Persönlichkeit zu einer Fantasiegestalt zusammen. Sie will eine Muse sein, von allen angebetet werden - kurz: sie will einzigartig sein, der hellste Stern am Himmel.
Und das ist sie auch, für ihre Schwester Malina. Malina himmelt Lucinda an, vergöttert sie. Die Geschichte wird ebenfalls aus ihrer Sichtweise erzählt. Das sich alles um ihre größere Schwester dreht, stört jedoch kein bisschen.
So ist es immer mit meiner Schwester, wenn sie geht, nimmt sie alle Farben mit sich. 

Es ist geradezu faszinierend, wie Schützsack Lucinda durch Malina ein Gesicht gibt, Malina dabei aber eine Stimme bekommt, die trotz ihrer vermeintlichen Unscheinbarkeit eine wahre Wucht in sich trägt. Hauptsächlich werden zwar Lucindas Probleme thematisiert, zu denen auch das Thema Essstörung gehört, allerdings wird dadurch auch die Situation der kleinen Schwester in den Vordergrund gehoben. Obwohl Malina ihre Schwester so sehr liebt, leidet sie auch furchtbar unter ihr. Nur scheint sie es selbst nicht zu merken.
Und wer aufhört zu träumen, der stirbt. 
Die Autorin hat das Buch mit ihrem wunderbaren Stil, schwerer Thematik und dem gekonnten Einsatz von Metaphern selbst zu einem leuchtenden, wie kraftvollen Stern gemacht. Selten beeindruckt und berührt ein Buch so sehr wie "Und auch so bitterkalt"! Eine Geschichte, die noch ewig nachhallt.

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